Die Kulturgeschichte des Mostes

Am Anfang war die Birne.

Der Name Mostviertel hat sich erst eingebürgert, als die Bauern Ende des 19. Jahrhunderts durch den Mosthandel wohlhabend geworden sind und der Most zum begehrten Volksgetränk wurde. Erstmals taucht der Begriff Mostviertel 1894 in der niederösterreichischen Lokalpresse (Kremser Zeitung) auf.

Der Begriff MOST kann zweideutig sein: Im Burgenland und in Wien versteht man darunter den unvergorenen Rebensaft, den Traubenmost! Für den  Mostviertler ist der Most ausschließlich der bereits vergorene Obstwein.

Das NÖ Mostviertel und das OÖ Traunviertel (Raum zwischen dem Wienerwald und dem Hausruck) sind die Urheimat der Mostbirne:

  • Genetischer Entstehungsmittelpunkt der heutigen Mostbirnsorten
  • Größtes geschlossenes Mostbirngebiet Europas

Die Birne ist Leitfrucht der Region (weniger der Apfel).

Sortenvielfalt:
Der Pomologe Josef Löschnig weist in seinem Werk „Die Mostbirnen“ (1913) nicht weniger als 108 heimische Birnensorten nach.

Seit wann gibt es Most?
Schon in der Jungsteinzeit (Beginn der Sesshaftigkeit und des Bauerntums) ist Gärungsalkohol nachweisbar. Die Römer kannten neben Rebenwein auch Obstwein.

Wer waren die Mosttrinker?
Die erste Erwähnung von Most in einem literarischen Text stammt vom österreichischen Minnesänger Neidhart von Reuenthal (um 1240), der bei den Mostviertler Bauern häufig zu Gast war. Er bekennt in einem seiner Lieder, dass ihm ein Krug Birnenmost aus den Händen seiner Angebeteten die trockene Kehle wieder zum Klinge gebracht habe.
Im Mittelalter war der Most nur bäuerlicher Haustrunk, keine Handelsware.
In der frühen Neuzeit trat der Most bereits in Konkurrenz zu Bier und Wein (diese waren steuerpflichtig, der minderwertige Most war steuerfrei).

Aufwertung der Obstzucht im 18. Jahrhundert
Kaiserin Maria Theresia  und ihr Sohn Joseph II. sorgten generell für eine Aufwertung der Landwirtschaft und im besonderen zur Intensivierung der Obstzucht. Ein kaiserliches Mandat verfügte 1763, entlang sämtlicher Landes- und Bezirksstraßen des Reiches Obstbäume zu pflanzen. Joseph II. hat angeordnet, bei jeder Bauernhochzeit eine gewisse Menge von Streuobst anzupflanzen.

Das Jahrhundert des Mostes - Vom Haustrunk zum Volksgetränk
Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist der Raum zwischen Enns und Ybbs zu einem riesigen Obstgarten und in Folge zum Ausgangspunkt ertragreicher Mostproduktion geworden.

Der Most - Jahrhunderte lang nur bäuerlicher Haustrunk - ist zum beliebten Volksgetränk geworden. Die vollen bäuerlichen Mostkeller erwiesen sich bald als Goldminen der Region. Nun bürgerte es sich allmählich ein, von einem Mostviertel zu sprechen, ein Begriff, der von der Kernregion um Haag – St. Valentin - Seitenstetten – Weistrach - Strengberg schließlich auf das ganze Viertel ob dem Wienerwald übertragen worden ist!

Most im 20. Jahrhundert
Der Mostboom hielt bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ungebrochen an.
Weil der Most stets das billigste alkoholische Getränk blieb, erfreute er sich natürlich in Notzeiten  besonderen Zuspruchs. Dementsprechend groß war die Nachfrage in der Wirtschaftskrise der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Damals trank der Arbeitslose und Ausgesteuerte täglich im Gasthaus „a Seitl Most, daß net z´vü kost´!“

Nach dem 2. Weltkrieg – ab den 1950er Jahren – ist der Mostkonsum rapide zurückgegangen und in den 60er Jahren nahezu völlig erloschen. Mit dem Stigma des Arme-Leute-Getränks behaftet, wurde der Most verkehrt proportional zum steigenden Wohlstand abgewertet und durch billigen Wein, Bier, Limonaden, Cola, und  Mineralwasser verdrängt.  Most war out !

Erfreulicherweise ist seit Mitte der 1980er Jahre eine Trendwende eingetreten: Das bodenständige Naturprodukt findet aufgrund zunehmender Umweltsensibilität wieder verstärkten Zuspruch. Durch enorme Qualitätssteigerung in der Produktion und gezielte Bewerbung kann der Most in der Gastronomie wieder Fuß fassen und erlebt seither eine Renaissance!  

Der Mostheurige hat das ganze Jahr über Saison. Wenn ausg´steckt ist, kann man von weitem sehen, „wo der Bartl den Most holt“. Dieser Spruch hat seinen Ursprung in der Tatsache, dass man früher zu Bartholomä, Ende August, den ersten Most zu pressen begann.

Quelle: Dr. Heimo Cerny